Wie kam ich auf die Idee?
Frust! Hero Kids war uns irgendwann zu flach und nutzte sich schnell ab. Die Abenteuer waren OK aber die Kids in unserer Schule spielen schon GTA5 oder Skyrim und schauen häufig auch Sachen die nicht für ihr Alter gedacht sind. Sie dankten mir den Innovationsgeist aber die kindlichen Illustrationen und das Gesamtpaket Hero Kids nutzte sich schnell ab.
Mit Rollenspielbüchern (Einsamer Wolf) fing alles an. Ich hatte völlig unterschätzt, wie sehr der Interaktive Anteil die meine männlichen Schüler (Jugendliche im Alter zwischen 11-13) fesseln würde. Dieser Begeisterung bin ich nachgegangen.
Wie bist du vorgegangen?
Ich habe herumprobiert. Zunächst habe ich versucht den Schülern Landkarten zum Ausmalen zu geben und sie angehalten den Geschichten in den Spielbüchern zu folgen und sich Notizen zu machen. Das wurde jedoch irgendwann langweilig. Als das Homeschooling kam, war der Weg frei auch mal einen Virtual Tabletop auszuprobieren. Ich habe mit Hero Kids angefangen, da es unzählige Materialien liefert und eines der wenigen "Rollenspiele" ist die man gleich losspielen kann.
Was kam dann?
Frust! Hero Kids war uns irgendwann zu flach und nutzte sich schnell ab. Die Abenteuer waren OK aber die Kids in unserer Schule spielen schon GTA5 oder Skyrim und schauen häufig auch Sachen die nicht für ihr Alter gedacht sind. Sie dankten mir den Innovationsgeist aber die kindlichen Illustrationen und das Gesamtpaket Hero Kids nutzte sich schnell ab.
Wie bin ich diesem Problem begegnet?
Mit einer langwierigen Recherche die mich und meine Mitmenschen am Ende stark belastete. Mir war nach einigen Anläufen mit Äventyr, So nicht Schurke! und anderen Rollenspiele für Kinder klar, dass es kein System für meine Zwecke geben wird. Also entschied ich selbst eines zu entwickeln und bediente mich dabei hemmungslos bei existierenden Systemen. Da ich selbst Neuling war, wurde ich immer dann aufmerksam, wenn ich ein System sofort verstand. Aus diesem Grund wurden Tiny Dungeon, Maze Rats & Knave, Mausritter, die Year Zero Engine und Dungeon World meine Favoriten. Aus diesen Systemen baute ich das aus, was mir gefiel und was den im Klassenzimmer funktionierte.
Was sind die Herausforderungen beim Spielen mit einer großen Gruppe Jugendlicher?
Bevor man überhaupt an Rollenspiel mit einer so großen Gruppe denkt, muss die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler stimmen. Meine Erfahrung zeigt, dass wenn die Beziehung stimmt und der Lehrer als Vertrauensperson angenommen wurde, dass dem Rollenspiel als Methode nichts mehr im Wege steht.
Ich versuche die Herausforderungen und meine bisherigen Lösungswege hier aufzulisten:
1. Die große Gruppe: Ich spiele regelmäßig mit 8 männlichen Spielern von denen hin und wieder Spieler fehlen (z.B. krankheitsbedingt). Damit die Motivation erhalten bleibt und jeder Schüler an die Reihe kommt spiele ich sehr dynamisch und verwende eine sehr einfache Würfelmechanik, die aber auch erweiterbar ist. Verschiedene Sanduhren (30 Sek., 60 Sek., 5 Min.) dienen mir als eine Art Druckmittel die die Spannung erhöhen und die Schüler zu Entscheidungen drängen sollen. Die Schüler haben Spielertoken mit einem Charakterbild und ihrem Namen darauf, damit ich immer weiß, wen ich gerade ansprechen muss. Die Token lassen sich wenden und zeigen auf der einen Seite eine andere Farbe. So behalte ich selbst den Überblick darüber, welcher Spieler bereits eine Aktion durchgeführt hat. Es kommt auch schonmal vor, dass ein Schüler in der Hitze des Gefechts nur "Ähhhh. ääähhh!" herausbekommt und die Sanduhr anläuft. Das baue ich dann einfach witzig ins Spiel ein und sage Sachen wie: "Ok, dein Charakter hat angesichts der riesigen Keule die der Troll vor euch schwingt wohl die Hosen voll und stammelt nur ähhh, ääää!" Die Runde ist dann für den Spieler zwar ohne Aktion beendet, doch so gelingt es mir den Humor aufrecht zu erhalten und wenn die Gruppe gut miteinander funktioniert lachen dann alle gemeinsam darüber und es geht weiter.
Damit ich für die Rollenspieleinheiten nicht immer das Klassenzimmer umbauen muss, spiele ich oft direkt auf dem Boden. Hierzu verwende ich alles mögliche. Mal stellen wir Situation mit einfachen Bauklötzen oder legen Seile für Flüsse. Mal spielen wir auf einer Chessex Battlemat. Vereinzelt habe ich auch mit DINA3 Battlemaps experimentiert. Im Bezug auf die visuelle Darstellung sind mir gute Illustrationen extrem wichtig. Ich verwende als Monster aktuell zu 90% Bilder von www.printableheroes.com. Ich unterstütze PrintableHeroes seit Jahren auf Patreon und finde seine/ihre Illustrationen perfekt für den Einsatz mit Jugendlichen. Beim Aufbau der Battlemaps lege ich ganz besonderen Wert darauf, nicht zu viele Details darzustellen und verzichte auch vollkommen auf genaue Entfernungen. ICRPG bringt diese Methode auf den Punkt. Es geht darum die Visualisierung nicht in den Mittelpunkt zu stellen, sondern sie als Stütze für die Vorstellungskraft zu verwenden. Karten, Battlemaps oder andere Visualisierungshilfen verwende ich entweder, wenn eine Situation zu komplex ist und mehrere Akteure gleichzeitig handeln (wie z.B. bei Kämpfen), oder wenn es den Schülern hilft bei der Sache zu bleiben oder schneller in die Geschichte einzutauchen. So enthalte ich meinen Schülern niemals eine Dungeon- oder Umgebungskarte vor. Sie bekommen immer etwas auf die Hand.
2. Das Curriculum und der Tagesablauf: Selbstverständlich arbeite ich ganz regulär an den Hauptfächern Deutsch, Englisch und Mathematik. Auch die Nebenfächer brauchen Zeit. Rollenspiel ist eine intensive Erfahrung für die Schüler und für den Lehrer vor allem vorbereitungsintensiv (zumindest wenn man es aus meiner Sicht "richtig" machen möchte). Mein Ziel war ursprünglich, das Thema Rollenspiel in möglichst viele Fächer einfließen zu lassen und auch Verstärkersysteme mit dem Rollenspiel zu verknüpfen. Wenn ich ehrlich bin, habe ich vielleicht 20% meiner Ziele erreicht. Oft muss ich mir Zeit freischaufeln oder die wenigen Tage vor den Ferien nutzen. Da wo andere Lehrer Filme schauen, spiele ich eben Rollenspiele. Ich verwende ungerne den Nachmittagsunterricht, da es den Schülern dann einfach schwer fällt sich ausreichend zu konzentrieren. Mit der mangelnden Konzentration stirbt auch Immersion und das Erlebnis wird für alle unbefriedigend. Da das Rollenspiel bei mir immer eine gewisse Vorbereitungszeit braucht, plane ich mindestens 90 Minuten ein. In die Fächer Kunst und Geschichte lässt sich Rollenspiel aus meiner Sicht sehr einfach integrieren. In Kunst lasse ich die Schüler ihre eigenen Charaktere, Pflanze, Waffen oder Tränke zeichnen. Für das Fach Geschichte fände ich ein Steinzeitrollenspiel, welches sich um das Überleben einer kleinen Sippe dreht wirklich sehr spannend (hatte aber noch keine Zeit dies wirklich zu realisieren).
Im Bildungsplan 2012 für Werkrealschule in Baden-Württemberg für das Fach Deutsch wird das Rollenspiel sogar explizit erwähnt. Hier sollen Erlebnisse szenisch gestaltet und Rollenspiele zur Veranschaulichung von Konflikten entwickelt werden. Es folgen noch weitere Erwähnungen der Methode im Fach Deutsch. In den Leitgedanken heißt es auf Seite 133 "Das Rollenspiel ist zur Schulung
des Perspektivenwechsels eine zentrale Methode." Insofern sagt mir hier sogar mein Arbeitgeber: "WEITER SO!" :)
Für das Rollenspiel in der Schule gilt für mich auf jeden Fall "Learning by Doing" auf beiden Seiten. So lange der Lehrer keine Angst hat sich zum Affen zu machen und hin und wieder in lustige, bedrohliche oder gruselige NPCs zu schlüpfen, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass die Schüler nicht zumindest ein grundlegendes Interesse zeigen werden.
3. Ein passendes "System"
Ich habe mittlerweile eine gewissen Abneigung gegen das Wort System im Bereich Rollenspiel. Es klingt so mathematisch und abgehoben. Rollenspiel lebt davon, dass innerhalb einer umschriebenen Situation Entscheidungen getroffen werden können, die den weiteren Verlauf beeinflussen. Der Spieler trifft die Entscheidungen bestenfalls auf Basis der Fähigkeiten, in denen sein Charakter einen Vorteil hat. Wie dieser Vorteil dann aussieht ist mir persönlich vollkommen egal. Es geht einfach darum, dass ein Charakter der gut im Klettern ist, eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit haben muss, einen Kletterversuch unbeschadet zu bewältigen. Dies lässt sich mit Würfeln eben über verschiedene Wahrscheinlichkeitsverteilungen realisieren. Der 6er-Würfel hat dabei vermeintlich eine geringe "Auflösung" als der 20seitige-Würfel und ermöglicht so das Gefühl einer Charakterprogression. Eine gefährliche Illusion, da es der Logik aller Rollenspiele (gerade auch MMORPGs) entspricht, dem stärker werdenden Charakter auch stärkere Gegner und Hindernisse entgegenzuwerfen. So macht der Wunsch nach Progression das Rollenspiel für meine Zwecke viel zu komplex.
4. Das Thema Gewalt & der Übermut der Schüler
In fast jedem Computerspiel das aktuell auf dem Markt ist, dürfen sich die Spieler schnell als Helden fühlen. Die meisten Herausforderungen werden durch Gewalt gelöst und ein Charaktertod ist, bis zum Respawn, maximal nervig. Diese Konditionierung schafft ein Problem für das Rollenspiel mit Jugendlichen. Gewalt scheint nicht nur eine adäquate, sondern oft die Einzige mögliche Lösung zu sein. Der Ork-Wächter der die Brücke bewacht gewährt uns keine freie Passage - Kopf ab! Die eingeschlafene Goblinwache ist unaufmerksam - hauen wir ihn KO!
Natürlich ist es leichter sich als Lehrer nicht der Gefahr hinzugeben, dass Schüler zu Hause erzählen, sie hätten heute im Unterricht einige Zombies mit Äxten zu Mus verarbeitet, doch
Elternabend nutzen, um die Methode zu klären!
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