"I'M NOT SURE ANYTHING IS GENUINELY OLD SCHOOL UNLESS IT IS ARGUING ABOUT THE PROPER WAY TO PLAY THE GAME" David Cook lead designer of the second edition of Advanced Dungeons & Dragons
Seit dem Anfang meiner Beschäftigung mit Rollenspielen für den Einsatz in der Schule waren die teilweise umfangreichen und auch komplexen Regeln für mich das größte Hindernis mit D&D oder anderen Rollenspielen in der Schule zu beginnen. Heute weiß ich, dass mein Ansatz mit Rollenspiel zuerst gut, dann schlecht und dann katastrophal war. Doch nicht selten sind Katastrophen der Anlass für einen Neuanfang und eine neue Ordnung.
Minimalistische Rollenspiele (z.B. Mausritter, Tiny Dungeon oder EZD6) wirkten auf mich zunächst nicht vollwertig und ich versuchte mich hartnäckig in komplexe Systeme einzuarbeiten. Mein Ziel war, diese Rollenspiele zu verstehen und dann die Komplexität für die Schule zu reduzieren. Monate später war ich frustriert und überarbeitet. Ich hatte das Gefühl, unglaublich viel zu arbeiten und überhaupt nichts zu erreichen. An diesem Punkt habe ich mich besonnen und Rollenspielbücher eine Zeit auf die Seite gelegt. Die Lektüre eines Buchs über Essentialismus gab mir neue Erkenntnisse und neue Motivation. Ich entrümpelte meine Rollenspiel-Sammlung und sortierte meine Festplatte. Dann setze ich mir konkrete Ziele und entschied mich vor allem dafür kein eigenes System zu entwickeln, sondern ein vorhandenes System (in diesem Fall Tiny Dungeon) zu nutzen.
Zu guter Letzt war es der Kontakt zu einem völlig Fremden über eBay-Kleinanzeigen, der mir den letzten Schub gab. Wir schrieben auf eBay bezüglich eines Rollenspiel Artikels und aus der Unterhaltung entwickelte sich der Gedanke, uns bei einem Discord Videocall besser austauschen zu können. Auch wenn mir meine verkopfte Art durchaus bekannt war, half es mir, noch einmal den Hinweis zu hören: "FANG EINFACH AN!" Als Lehrer, der regelmäßig vor einer Schulklasse mit unterschiedlichen Erwartungen steht, habe ich natürlich auch das Bedürfnis gut und auf jede Eventualität vorbereitet zu sein. Diese Eigenschaft, die ich aus einer beruflichen Notwendigkeit entwickelt habe, stand mir nun auch noch im Weg. Für das entspannte Rollenspiel ist eine perfekte Vorbereitung nicht nur unnötig - sie ist vereinzelt sogar hinderlich.
Seither spiele ich sehr regelmäßig mit meiner Klasse Rollenspiel und entwickle neue Szenarien und Ideen deutlich schneller, entspannter und was am wichtigsten ist, mit der Hilfe meiner Schüler. Tatsächlich bringen meine Spieler (Schüler) Ideen ein, auf die ich selbst nicht gekommen bin. Bücher mit Zufallstabellen helfen mir ein kreatives Blackout zu überstehen (Welchen magische Effekt hat dieser unbekannte Trank?") und was am wichtigsten ist - ich bin wieder motiviert, weil ich nicht nur über das Spielen nachdenke, sondern tatsächlich spiele.
Der oben zitierte Satz hat mich in diesem Zusammenhang beschäftigt. Das von mir eingesetzte minimalistisches Regelwerk gab mir eine irrsinnige Freiheit - nicht nur die Freiheit eine Geschichte zu erzählen ohne mich von komplexen Regeln oder Monsterstatistiken ausbremsen zu lassen. Es gab mir auch die Freiheit die Regeln abzuändern, neue Regeln zu ergänzen oder Situativ völlig eigene Wege zu gehen (der berühmte Jenga-Turm wenn die Gruppe leise sein muss).
Mir wurde klar, dass es völlig sinnlos war, das Pferd von hinten aufzusatteln. Ich kann jedem Rollenspielinteressierten nur raten nicht den selben Fehler zu machen. Beim Rollenspiel geht es in erster Linie um das gemeinschaftliche Geschichten erzählen. Würfel sind das Salz in der Suppe, da ohne Würfel die Geschichte lediglich unserer Fantasie und nicht den Ereignissen am Tisch folgen. Die Spannung am Spieltisch wird maßgeblich von der Erzählung und den Würfelwürfen erzeugt. Wenn meine Würfel darüber bestimmen, ob mir der Sprung von der Burgmauer auf das angrenzenden Dach des Wachhauses gelingt oder ich aber bei meinem Absturz die gesamte Garnison auf mich aufmerksam mache, dann hat das Würfelergebnis für mich Bedeutung. Die gemeinsame Entwicklung von Regeln für bestimmte Situationen hat für mich durchaus einen Platz am Spieletisch und kann die gemeinsame Erfahrung deutlich bereichern.
Wenn die Diskussion über und die Veränderbarkeit von Regeln Old School ist, dann möchte ich nichts anderes spielen. Für mich erübrigt sich so auch die Diskussion über die OGL und das Verhalten großer Rollenspielverlage. Wenn Regeln, Formulierungen und Ideen so komplex werden, dass man sie rechtlich schützen muss, bin ich raus. Ich möchte Geschichten erzählen - das ist alles.
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