Warum ich mich als Lehrer für Old School Rollenspiele interessiere?
Meine Beschäftigung mit dem Thema "Rollenspiele in der Schule" umfasst nicht nur die Frage wie man es realisieren kann, sondern ganz besonders auch die Frage wie man es reibungslos und ohne großen Aufwand realisieren kann. Selbstverständlich steht spielfertiges Material für mich an erster Stelle. Doch die Frage wie man Material wirklich "fertig" macht, sodass der Spielleiter (oder Lehrer) selbst auch, in einem ansonsten stark belebten Schulalltag, schnell in seine Rolle und in die Geschichte findet.
Dungeons stellen hierbei ein nicht zu unterschätzendes Element dar. Sie verlaufen ruhig von Raum zu Raum. Vereinzelt gibt es Abzweigungen, was den Spielern ein Gefühl von Entscheidungsfreiheit vermittelt, Raumbeschreibungen geben dem Spielleiter Zeit sich einzufinden und die Zeit die die Spieler brauchen, um sich über die Zusammenhänge und Prolemstellungen der einzelnen Räum auszutauschen, bietet ausreichend Gelegenheit für den Spielleiter sich Gedanken zu machen und notfalls auch zu improvisieren.
Klingt erstmal gut, doch Raumbeschreibungen aus alten Rollenspielen lesen sich häufig sehr kryptisch.
Dieser Raum ist 15' x 20' groß. Die Wände sind mit bodenlangen, schweren kastanienbraunen Vorhängen mit einfachen gelben Nähten bedeckt. Hinter den Vorhängen sind die Wände mit tief eingravierten, aufwendigen geometrischen Mustern in 1'x1'-Rastern bedeckt. An der Nordwand befindet sich in der Mitte jedes quadratischen Fußmusters ein 2 Zoll großer quadratischer Abschnitt der etwa 5 cm nach innen gedrückt werden kann. Die Wand hat fünf Felder mit jeweils fünfzig Quadraten. Das mittlere Paneel ist eine Geheimtür, und die mittleren Abschnitte reagieren nicht, wenn sie nach innen gedrückt werden. Die übrigen Felder sind der Bedienungsmechanismus für die Geheimtür. Eine bestimmte Kombination von gedrückten Teilen öffnet die Tür. Es gibt viele Billionen Kombinationen. Um sie alle auszuprobieren, bräuchte man mehrere Leben lang. Kein kritischer Erfolg oder Glück werden helfen. Ohne zu wissen welche Felder zu drücken sind, wird sich die Geheimtür nicht öffnen. Ansonsten ist der Raum sauber, unauffällig und ohne anderen wichtigen Merkmalen. Kein Kultist hat herausgefunden, dass es ein Geheimnis für dieses Rätsel gibt. Es ist niemand in diesem Raum.
Übersetzt aus "The Lost Temple of Forgotten Evil"
Auch wenn ich mir keine große Mühe bei der Übersetzung gemacht habe, sollte mein Standpunkt schnell klar werden. Wer schreibt so etwas!? Damit möchte ich nicht den Autor in Frage stellen oder das Werk beurteilen. Vielleicht gibt es Menschen die kryptische Raumbeschreibungen lieben und sie wie ein Puzzle im Geist zusammensetzen wollen. Mir, dem es permanent an Zeit und Ruhe fehlt, möchte das nicht. Vielmehr möchte ich überlegen, ob das nicht besser geht. Einfacher ist bis zu einem gewissen Grad immer besser. Was braucht eine Raumbeschreibung wirklich?
Schon alleine die Zahlen stören mich. Ich möchte in diesem Raum keine Fließen legen, ich möchte ihn mir vorstellen können. Es gibt Bezeichnungen für Räume unterschiedlicher Größe (Kammer, Zimmer, Saal, Halle, Korridor). Es gibt eine Wortart die hilft Dinge genauer zu beschreiben (schmaler Korridor, breiter Korridor, kleines Zimmer, großes Zimmer). Womöglich wäre es auch möglich Funktion und große zu kombinieren (großes Schlafzimmer, kleine Vorratskammer, riesiges Höhlengewölbe, usw.). Es gibt bekannte Spielleiter die bei Youtube sagen: "Nennt nicht die Funktion der Räume, sondern lasst eure Spieler durch eure Beschreibung selbst darauf kommen!" Dieser Tipp kann für mich keine universelle Regel werden. Warum sollte ich meine Spieler die ein altes Schloss betreten, von dem ich weiß es hat 44 Räume nicht einfach sagen, dass sie gerade in der Großküche des Anwesens stehen (vor allem wenn ich weiß, dass es dort nichts Interessantes geben wird).
Der Detailreichtum mag das Ego des Schreiberlings streicheln, doch ist es wirklich notwendig die Farbe der Nähte zu erwähnen? In den vielen Details stelle ich mir als Spieler sofort die Frage "Warum redet er so viel über die Nähte? Sind sie von Bedeutung?
Jetzt folgt eine breite Beschreibung einiger Muster und Reliefs, es werden erneut Maßstäbe genannt und offenbar gibt es auch einen Mechanismus. Ein Mechanismus der offenbar nicht zu knacken ist und eine Geheimtür öffnen soll, die nicht weiter beschrieben ist. Barrowmaze von Greg Gillespie macht es hier deutlich besser. Bei komplexen oder für das Abenteuer zentralen Raumbeschreibungen, gibt es einen umfangreichen Anhang von Bildern, aus denen der Spielleiter sich bedienen kann. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte und dafür muss es nicht vom Profi gezeichnet worden sein.
Auch wenn ich den obigen Text aus dem Kontext des Abenteuers genommen habe und andernorts sicherlich einige der Fragen geklärt werden die ich mir hier stelle, möchte ich anhand dieser Raumbeschreibung ein für mich grundlegendes Problem vieler Rollenspiele ansprechen. Sie sind unnötig komplex und verschrecken Einsteiger nicht aufgrund tatsächlicher Komplexität, sondern aufgrund schlechter Darbietung und Strukturierung.
Wie könnte man den Raum oben so beschreiben, damit der Spielleiter den Rest seiner Aufmerksamkeit auf die Spieleraktionen, seine Entscheidungen, das Rollenspiel und die Improvisation von Ereignissen richten kann.
Welche Prinzipien sollte man bei Raumbeschreibungen anwenden, damit der Spielleiter schnell Zugang zum Abenteuer gewinnt und vom Material hinreichend unterstützt wird.
1. Räume mit Namen: Namen ermöglichen ein schnelles Konzept. Wenn ich einen Raum "Raum 1" nenne und mich hinterher durch einen Lesetext quälen muss, der eine Küche beschreibt, in der nichts Relevantes passiert ist es mühselig und raubt unnötig Energie. Ich kann den Raum "Raum 1 (Küche)" nennen und gebe dem Spielleiter direkte Hinweise.
2. Eine herausnehmbare und beschriftete Karte des Dungeons (bestenfalls eine schwarz-weiß online Version zum Ausdrucken) die dem Spielleiter ermöglicht, ohne zu blättern eine Referenz zu den Raumbeschreibungen zu haben. (Nichts schlimmer als ein Spielleiter der ständig blättert oder selbst den Überblick verliert).
3. Stimmung für Spieler/Hinweise für SL: Es sollte zwei Teile geben. Ein kurzer, stimmungsvoller Text, der dem Spielleiter als Vorlesetext dient, der sensorische Eindrücke vermittelt und den Spielern ein Bild von dem Raum malt. Der Text sollte den Spielern genug bieten, um sich Gedanken zum Raum machen zu können während der Spielleiter diese Zeit nutzt um die SL-Hinweise noch einmal zu überfliegen.
4. SL-Texte geben Querverweise: Dem Vorlesetext sollten klare SL-Hinweise folgen (die farblich oder anderweitig deutlich vom Vorlesetext abgegrenzt sind). Dieser Text liefert wie üblich Hintergründe zum Raum ABER eben auch notwendige Hinweise auf Räume, die auf irgend eine Weise mit diesem Raum verbunden sind.
Ist in diesem Raum ein Schlüssel zu finden, der in Raum X eine Tür öffnet? Öffnet der Mechanismus in diesem Raum ein Geheimfach in Raum X? Der SL braucht diese Hinweise, um den aktuellen Raum gut ausspielen zu können.
5. Klares Layout: Viele neuere Abenteuer warten mit kunstvollen Grafiken, Tabellen und stimmungsvollen Seitenhintergründen auf. Während dies seinen eigenen künstlerischen Wert hat und die Bücher zumindest optisch in Kunstwerke verwandelt, mangelt es mir diesbezüglich wieder an Pragmatismus.
Barrowmaze und sein Autor Greg Gillespie wird in der Community häufig kritisiert, doch ich finde viel positives an dem Werk. Ich habe es nicht gespielt, doch immer wieder schaue ich rein und bin fasziniert vom Layout. Megadungeon hin oder her, so viel Inhalt so zugänglich zu machen hat m.E. Beachtung verdient.
Auch vom Old School Papst Ben Milton kann man Layouttechnisch eine Menge lernen. Sein Abenteuer "The Waking of Willowby Hall" beginnt mit zwei großen Karten des Anwesens in dem das Abenteuer spielt. Die Karte ist in schwarzweiß, bezeichnet die Räume nach ihrer Funktion, enthält kurze Raumbeschreibungen die dem SL als Anker dienen und Querverweise auf Seitenzahlen, auf denen der Raum und seine Hintergründe zu finden sind. Ich wüsste nicht was es in Punkte Spielbarkeit und SL-Unterstützung hier noch zu verbessern gäbe.
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